Mittwoch, 22. Oktober 2014
Samstag, 18. Oktober 2014
Nur Arbeiten und nicht Spielen - Teil 2
Mein
erster Einsatzort wurde nicht, wie erwartet, Eschborn, sondern
Hattersheim. Ich sollte bei der Firma Mant-a-vision eingearbeitet
werden. Die Firma befand sich etwas außerhalb des Ortes, in der Nähe
der Autobahnausfahrt. Es war allem Anschein nach ein großes
Unternehmen, auf dem Gelände fanden viele furchteinflößend große
Lagerhallen Platz. Und es gab mindestens so viele Parkplätze wie bei
einer Ikea-Filiale. Seltsamerweise hatte ich Schwierigkeiten den
Eingang zu finden. Dieser erschien gar nicht so prunk- und
eindrucksvoll wie erwartet. Eine etwas unscheinbare Glastür führte
zu einem Empfang, der sehr spartanisch ausgestattet war. 80 einsame
Quadratmeter mit einem Schreibtisch auf der einen und einem
Weihnachtsbaum auf der gegenüberliegenden Seite. War es dafür nicht
außerdem viel zu früh?
Am
Schreibtisch saß ein älterer Wachmann, der mich anstrahlte.
„Bin
ich hier richtig bei Mant-a-vision? Ich soll hier anfangen. Beim
Empfang.“
„Alles
richtig, mein Lieber.“
Er
stand auf und schüttelte meine Hand: „Ich bin Vassilis. Und du
bist meine Ablösung.“
„Ich
verstehe. Ich heiße Erik.“
Vassilis
zeigte mir seine Notizen. Frau Dobrindt sollte endlich Herrn König
zurückrufen. Ein Kunde aus Japan rief immer wieder an, aber die
Leitung brach ständig zusammen. Ich sollte ihn direkt mit dem
Auslandskundenservice verbinden, bevor das wieder passierte. Das war
mit den Kollegen auch schon abgesprochen.
„Kann
ich dich alleine lassen? Verstärkung kommt bestimmt gleich. Es ist
gleich halb acht.“
„Okay.“
Er
schnappte sich seine Thermoskanne, seine Tupperdose und seinen John
Grisham, verabschiedete sich und ging. Er sah glücklich aus. Aber
mein Tag fing erst an.
Das
Telefon klingelte. Wenn ich sage, das Telefon klingelte, dann meine
ich den Computer, mit dem kompliziert aussehenden Display, den
hundert Knöpfen und dem Hörer, der das einzige war, dass an ein
Telefon erinnerte. Ich habe so ein Ding bestimmt mal in einem Film
gesehen.
Ich
tat das offensichtlichste, ich nahm den Hörer ab.
„Hallo?“,
fragte ich ängstlich. „Mant-a-vision. Wasilewski am Apparat.“
Klang
fast professionell. Ich fühlte mich sofort wie ein Hochstapler.
„König“,
sagte Herr König, sichtlich angenervt. „Ist sie jetzt da?“
„Wen
möchten sie sprechen?“
Ich
hatte den Zettel eben noch vor mir liegen.
„Frau
Dobrindt! Genau wie vor einer Stunde! Und die Stunde davor!“
„Einen
Augenblick.“
Ich
fand eine Telefonliste, wo sich anscheinend die wichtigsten Namen
samt ihrer Kurzwahl befanden. D wie Dobrindt. Da war sie. 4367. Jetzt
musste der Zauberkasten den Anruf irgendwie weiterleiten.
„Sie
haben mich noch nicht verbunden“, sagte König, der wahrscheinlich
vor Wut schäumte. Ich fragte mich, was eigentlich sein Problem war.
Es war kaum acht Uhr in der Frühe, und angeblich versuchte er schon
seit Stunden, jemanden zu erreichen. Aus welcher Zeitzone rief er an?
Ich
drückte den Knopf, den ich für richtig hielt, und wählte die
Nummer. Dann legte ich auf. Entweder hatte alles geklappt. Oder ich
hatte den emsigen Frühaufsteher aus der Leitung gekickt.
Was
war das eigentlich für ein Unternehmen, bei dem ich als Springer
engagiert wurde? Was bedeutete Mant-a-vision? Stellten die irgendwas
her? Ließen die herstellen? War das eigentlich koscher? Ich sollte
bei Gelegenheit mal nachfragen.
Ein
wichtig aussehender Mann im Anzug klopfte an die Tür. Er sah genauso
genervt aus, wie Herr König klang. Ich bemerkte den Türöffner
neben dem Star Trek-Telefon, und betätigte diesen. Es folgte ein
Surren, der Mann rüttelte an der Tür, nichts schien sich zu tun.
Ich drückte noch einmal den magischen Knopf, doch er konnte auch
diesmal nicht herein. Da sah ich neben dem Türöffner einen kleinen
Zettel, auf dem geschrieben stand: „Ziehen“. Ich drückte noch
einmal auf den Knopf und demonstrierte dem Mann die Geste des
Ziehens. Ich musste wie ein betrunkener Bogenschütze ausgesehen
haben, aber er hatte es endlich begriffen und zog an der Tür.
„Wohl
kaputt, was?“, begrüßte er mich, auf die Tür verweisend.
„Ich
glaube nicht“, sagte ich.
Ohne
ein weiteres Wort verschwand er.
Minuten
vergingen, ohne dass was passierte. Meine Kollegin war noch nicht da.
Ich machte mir langsam Sorgen. Wenn das Telefon erst nicht mehr
aufhörte zu klingeln, und keiner durch die Tür kam, ging es erst
richtig los. Ich konnte es mir bereits ausmalen.
Ein
Mann betätigte die Klingel. Ich drückte den magischen Knopf, und er
kam herein. Er sah wichtig aus. Aber auch etwas klein. Was ihm eine
zusätzliche Beharrlichkeit verlieh.
„Ja,
haben sie das nicht gesehen?“, fragte er, und sah mich an, als wäre
ich seiner nicht würdig. Vielleicht ahnte er auch bloß, dass ich
größer war als er.
„Was
denn?“
„Diese
Parkplätze“, er verwies mit seiner Hand etwas beliebig in eine
vage Richtung, „sind für die Firmenleitung reserviert, und zwar
ausschließlich für die.“
„Sind
die denn nicht markiert?“, fragte ich.
„Nein“,
sagte er, als hätte er mir das schon tausendmal gesagt. „Dazu
kamen die Leute noch nicht. Wir sind ja auch erst hierher umgezogen.
Die Handwerker sind noch nicht fertig hier.“
„Tut
mir leid, ich bin neu hier, ich wusste nicht…“
„Hören
sie zu: wenn sie ein Auto sehen, das nicht hierhergehört, dann gehen
sie raus und erklären den Leuten, dass sie hier nicht parken
können.“
Dann
ging der kleine Mann von dannen.
Daraufhin
sah ich eine Frau vor der Tür, die mir zuwinkte. Ich betätigte den
Türöffner.
„Smalltalk
mit dem Chef, und das schon am ersten Tag“, sagte sie und lachte.
„Das
war der Chef?“
„Ich
bin die Regina“, sagte sie, und schüttelte mir energisch die Hand.
Sie war stämmig, blond, und gutgelaunt.
„Erik.“
„Was
hat er denn gesagt?“
„Dass
hier Leute falsch parken. Aber es nicht wissen. Und deshalb soll ich
sie von den Parkplätzen verjagen.“
„Ach,
die Geschichte schon wieder.“
„Das
passiert hier öfters?“
„Wir
haben den Standort gewechselt, und es läuft noch nicht alles, wie es
soll.“
„Eine
Frage: woher weiß ich, wer hier parken darf und wer nicht?“
„Ich
zeig’s dir. Ich kenn die Geschäftsleitung vom Sehen. Die haben
auch die dicksten Karren.“
Nach
einigen Tagen bei Mant-a-vision (Regina wusste übrigens auch nicht,
was hier hergestellt wurde, wenn überhaupt), wurde alles noch
verrückter. Die Leute hatten ohnehin schon Probleme mit dem
Türöffner. Aber es wurde noch komplizierter: bevor ich oder Regina
den Türöffner überhaupt betätigen konnten, mussten die Leute
draußen eine extra angefertigte Klingel betätigen. Doch niemand
schien davon erfahren zu haben. So standen die verwirrten
Angestellten vor der Glastür und warfen uns hasserfüllte Blicke zu.
Wir gestikulierten, manchmal schrien wir auch. Die Angestellten
schrien auch. Leute parkten auch weiterhin auf den heiligen
Parkplätzen der Geschäftsleitung, weil diese sich eben nah am
Eingang befanden (die Parkplätze hatten Walmart-Ausmaße), und noch
immer nicht markiert waren.
Außerdem
arbeitete ich mit verschiedenen Kolleginnen, die sich alle nicht
ausstehen konnten. Ich als einziger Kerl wurde in Ruhe gelassen,
fungierte manchmal auch als Puffer. Aber die Mädels konnten nicht
miteinander. Die Eine war zu entspannt, die Andere zu gestresst. Die
Eine hatte einen eher rustikalen Humor, die Andere war sehr sensibel.
Die Eine war pflichtbewusst und penibel, und die Andere etwas
schludrig. Kurz: die Eine konnte die Andere nicht leiden. Und ich saß
daneben oder hab Briefe frankiert. Das tat ich am liebsten. Weg von
dem großen Missverständnis, das den enigmatischen Namen
Mant-a-vision trug, versteckt in einem einsamen Kellerraum, wo die
Frankiermaschine stand. Mein Refugium.
Ein
Job wie dieser ließ einen zum Kulturpessimisten werden. Keiner kam
mit dem Anderen aus. Und niemand wusste irgendwas. Jeder wusste nur
so viel, wie er wissen musste, um den Laden mehr schlecht als recht
am Laufen zu halten. Niemand war hilfsbereit. Und keiner der
Angestellten war jemals telefonisch erreichbar – zumindest sollte
man das stets ausrichten. Nur Vassilis, dem Nachtwächter, dem ging
es gut. Er saß nachts in diesem großen, groben Koloss von Gebäude,
und keiner belästigte ihn. Keiner rief an. Keiner beschwerte sich.
Er saß da mit seiner Thermosflasche und seinem Buch. Vielleicht
hatte er auch ein kleines Radio dabei. Ganz bestimmt, denn die
Computer durfte er nicht benutzen. Seine Arbeit und sein Leben hatten
gänzlich analogen Charakter. Wenn sich morgens um 8 Uhr die ersten
vom Leben Zerknirschten hierhin quälten, hatte er schon seine Sachen
gepackt, und machte sich auf den Weg nachhause. Der glückliche Hund.
Freitag, 10. Oktober 2014
Nur Arbeiten und nicht Spielen - Teil 1
Eine Erik Wasilewski-Geschichte
Geld
wächst nicht auf Bäumen. Also geht man hinaus, und verdient es. Als
Student macht das besonderen Spaß. Man studiert vor sich hin, oft
auch viel Blödsinn, und kriegt dafür nichts, bezahlt sogar dafür
(in vielerlei Hinsicht). Nebenbei auch noch malochen zu gehen, ist
nicht immer einfach. Man muss quasi zwei Leben leben, das eine ist
das simple, werktätige, und das andere hat mit abstrakten
Problemstellungen zu tun, die außerhalb der Uni nicht existieren.
Studentenjobs gibt’s wie Sand am Meer, wieso auch nicht, Studenten
müssen von irgendwas leben. Bücher essen kann man nicht. Man muss
sie ja fristgerecht zurückbringen.
Die Leute, die Studenten Jobs
anbieten sind meist glückliche Leute, da sie Studenten mit Kleingeld
abspeisen können mit dem Wissen, dass sie nicht aufmucken, da sie
das Geld dringend brauchen. Es gibt auch Jobs, die nur für Studenten
funktionieren, da sie sich für die Anderen schlicht und ergreifend
nicht rentieren würden. Über einen dieser Jobs möchte ich eine
Geschichte erzählen. Mein BAföG lief aus, ich saß also auf dem
Trockenen. Die Semesterferien standen vor der Tür. Der Herbst war
nicht weit. Ich wusste, im Oktober, vielleicht schon im September
würde ich die Miete nicht bezahlen können. Ich surfte durchs Netz,
auf der Suche nach Nebenjobs. Ich schrieb ca. dreißig Bewerbungen,
aus denen nichts wurde. Bis ich irgendwann einen mysteriösen Anruf
bekam. Die Frau am anderen Ende der Leitung klang ein wenig
abgehetzt.
„Herr
Wasilewski? Anita Jürgens hier, von P-Direkt Plus.“
„Wie
bitte?“
„Oh,
Entschuldigung. Als sie sich bei uns beworben haben, da hießen wir
noch Service Plus Direkt.“
„Ach,
ja. Natürlich.“
„Sind
sie noch interessiert an dem Job?“
„Na
klar.“
Ich
hatte mich als Studentische Aushilfe bei irgendeiner Firma beworben.
Hörte sich nach einer entspannten Angelegenheit an.
„Der
Posten, auf den sie sich beworben haben, den gibt es nicht mehr. Aber
wir suchen noch Springer.“
„Springer?“
„Ich
erklär’s ihnen. Sind sie gerade in Mainz?“
„Ja.“
„Dann
treffen sie mich doch heute Nachmittag, wenn es ihnen recht ist, beim
RettungsRing in Mainz.“
Der
RettungsRing war eine Organisation, die von einem heute pensionierten
oder toten SWR-Moderator gegründet wurde. Menschen, die Opfer von
sexuell motivierten Straftaten werden, können sich an den Ring
wenden, um Unterstützung zu beantragen, seelische oder monetäre. Er
erinnert vom Ansatz her an den Weißen Ring, und wurde in den Medien
oft als der inkompetente Bruder des Weißen Rings bezeichnet.
Angeblich läuft bereits seit Jahren ein Rechtsstreit um den Namen.
Viele
wissen das nicht, aber die Zentrale des RettungsRings befand sich in
Mainz, genauer, in Mainz Marienborn. Für mich hieß das zum anderen
Ende der Stadt zu fahren. Was ich auch prompt tat. Ich war heiß auf
das Geld. Und wenn ich dafür arbeiten musste, so würde ich es tun.
So verzweifelt war ich.
Der
Rettungs-Ring befand sich in einem eher kleinen dreistöckigen
Gebäude, schlicht und grau von außen, und von innen eigentlich
auch. Frau Jürgens erwartete mich am Empfang.
„Herr
Wasilewski!“
Sie
begrüßte mich und geleitete mich in einen freien Büroraum. Es war
dunkel, doch sie dachte gar nicht daran, den Lichtschalter zu
betätigen.
„Ich
war ja etwas erstaunt, dass sie sich auf diesen Posten beworben
haben.“
„Wieso?“
„Nun,
weil er bereits seit ca. einem Monat besetzt ist.“
„Ich
habe einfach auf ihre Anzeige im Internet reagiert.“
„Aha.
Und auf welcher Seite waren sie da genau?“
„Das
weiß ich leider nicht mehr. Wenn sie wollen, kann ich das für sie
rausfinden…“
„Ja.
Bitte. Würde mich sehr interessieren, auf welcher Seite sie waren.“
„Ja.“
„Gut.“
Sie schien sich langsam zu entspannen. „Der RettungsRing sagt ihnen
was, Herr Wasilewski?“
„Ja.“
„Das
ist gut. Denn manche sind ein bisschen geschockt, wenn sie hier
anfangen. Ich könnte ihnen einen Springer-Job anbieten, wenn sie
wollen. Das heißt, wir setzen sie da ein, wo sie gebraucht werden.
Unser Unternehmen hat Kunden in ganz Deutschland. Wir würden sie
natürlich nur im Rhein-Main-Gebiet einsetzen. Sie sind Student,
sagten sie?“
„Ja.“
„Dann
können sie ja auch öffentliche Verkehrsmittel kostenfrei in
Anspruch nehmen.“
„Ja.“
„Sehr
gut. Das werden sie müssen. Also, sie werden viel Bahn fahren.“
„Okay.“
„Wir
werden sie in Eschborn einarbeiten. Und dann sehen wir, was passiert.
Wie klingt das?“
„Was
soll ich denn eigentlich machen?“
P-Direkt
Plus (wofür das P steht, weiß ich bis heute nicht) hatte seinen Hauptsitz in Frankfurt. Dort unterschrieb ich meinen
Arbeitsvertrag. Es war Donnerstag. Ab nächster Woche sollte es
losgehen. Ich war ein wenig aufgeregt. Es war nur ein Nebenjob, aber
es war ein Vorgeschmack auf das sogenannte richtige Leben. Viele
meiner Freunde hatten Nebenjobs. Und sie redeten oft und gern über
ihre Erlebnisse bei der Arbeit. Nicht, weil die Arbeit so interessant
war, sondern weil sie so frustrierend sein konnte. Anna arbeitete
beim Cinestar und wurde, nach eigenen Aussagen, ausgebeutet. Vor
kurzer Zeit ist sie samt ihren Kollegen in den Streik getreten. Harri
Schuster war gelegentlicher Lagerarbeiter, beschwerte sich aber
nicht. Das tat er nie. Dennis war Amphetamindealer und Feingeist,
deshalb ärgerte er sich über seine Kundschaft, die ihm meist zu
hirnlos war. Sebastian arbeitete beim ZDF, wofür ihn alle
beneideten, doch er war bloß Kabelträger. Außerdem beschwerte er
sich stets darüber, dass die Moderatorin der Sendung „TV-Garten“
ihn sexuell belästigte. „Schlucks runter“, riet ihm ein Kollege.
„Die Alte kann dich fertigmachen, wenn sie will“.
Mark
hingegen war ganz zufrieden bei „Musik Alexander“. Immerhin war
er umgeben von Pianos, was ihn bis zu einem gewissen Grad beruhigte.
Wenn ihn der Blues überkam, konnte er ihm Gestalt verleihen, und so
tun, als wolle der potentielle Kunde eine Klangdemonstration.
Vor
meinem geistigen Auge erschienen Auszüge meines zweiten Gesprächs
mit Frau Jürgens von P-Direkt Plus, einer Firma, die Leute für
Rezeptions- und Poststellenjobs anwarb. Was sie sagte klang
abenteuerlich, ich wusste dennoch nicht genau, was ich so alles tun
sollte.
„Sie
haben uns ihre Tage durchgegeben, an denen sie arbeiten können“,
sagte sie, „das heißt, es kann passieren, dass wir sie an einem
dieser Tage um sechs Uhr morgens anrufen, weil jemand ausgefallen
ist. Sie dürfen ihr Handy nicht ausschalten.“
„Es
kann auch passieren, dass wir sie an ihrem Einsatzort anrufen.
Vielleicht brauchen wir sie für den Nachmittag anderswo.“
„Wir
werden sie natürlich nichts nachts anrufen oder so was. Aber
schalten sie ihr Handy ja nicht aus!“
„Sie
verdienen ganz gut bei uns!“
„Beim
RettungsRing sollten sie, sagen wir mal, etwas robuster sein. Aber
das sind sie ja, das sehe ich ihnen an.“
„Wir
haben so viele Probleme mit Leuten, die einfach ihr Handy
ausschalten. Also ich bitte sie inständigst, ihr Handy nicht
auszuschalten.“
„Niemand
wird ihnen ein Bein ausreißen, wenn’s mal nicht so läuft. Sie
sind Springer, die Leute wissen das.“
„Und
was studieren sie? Ach ja, interessant! Und was macht man dann
damit?“
„Bitte
schalten sie ihr Handy bloß nicht aus!“
Ich
befand mich in der Nähe der Hauptwache. Ich kannte die Straße. Ein
Comicladen befand sich irgendwo in der Nähe, den ich früher öfter
aufsuchte. Ich hatte das verrückte Bedürfnis, wieder hineinzugehen.
Er erinnerte mich an eine einfachere Zeit. Ich lebte noch zuhause,
ich hatte gerade angefangen in Frankfurt zu studieren. Ich musste
auch nicht arbeiten. Meine Wochenenden waren frei. Freitags nach der
letzten Veranstaltung machte ich mich auf den Weg in den Comicladen.
Ich sah den langhaarigen Verkäufer mit dem Batman-T-Shirt, der in
irgendeinen hippen Garth Ennis-Comic vertieft war. Er grummelte ein
Hallo, und las weiter. Es war sonst niemand da. Der Laden war von
einer angenehmen Stille erfüllt. Der Lärm von draußen schien jene
heiligen Hallen nicht zu erreichen. Es lief nicht mal Musik. Ab und
zu warf ich einen Blick auf den Verkäufer. Ich hatte ihn nie nach
seinem Namen gefragt. Ob der Laden genug Geld abwarf? Er schien sich
keine Sorgen zu machen. Sein Gesicht war speckig, aber faltenfrei. Er
rasierte sich sicher nur einmal die Woche. Er musste nicht erwachsen
werden. Hier nicht. Er hatte die Welt ausgetrickst. Aber auch ich
hatte keine Sorgen, wenn ich freitags hier reinspazierte. Ich war
zuhause.
Ich
kaufte nicht immer was, manchmal war ich nur am Stöbern. Ich
flanierte durch den Comicladen. Blieb mal vor einer Neuausgabe
stehen, dann wieder vor einem Heft, das niemand je zu kaufen schien.
Ich blätterte darin herum, und dachte, vielleicht kaufe ich es
nächste Woche.
Irgendwann
musste ich die Uni wechseln, und landete in Mainz. Ich mietete ein
Apartment, begann zu arbeiten. Mein Abschluss verzögerte sich immer
weiter. Ich lernte viel über das Leben. Ich hörte auf, Comics zu
lesen.
Ich
lief durch die Straße, aber ich fand den Laden nicht wieder.
Fortsetzung folgt
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